»Die mir das Herz verbrennt… Im Rausch der Tulpen«
Ein Soloprojekt von Volker Weinhold
Die Tulpe kommt aus dem Morgenland,
sie ist nach dem Turban des Sultans benannt.
Der Sultan hat sie dem Kaiser gesandt
als kleinen Turban fürs Abendland.
Reiner Kunze / Lyriker
Die Reise der Tulpe nach Europa ab dem 16. Jahrhundert aufzunehmen und sie zeitgenössisch zu interpretieren, dafür ist der Fotograf Volker Weinhold mit dieser Arbeit angetreten. Auf seinen fotografischen Stillleben entwirft er in einer künstlerischen Intervention ein eigenes Bild dieser Epoche und einer Blume, die heute noch als immerwährendes Symbol von Schönheit und Vergänglichkeit gilt. Der Ausstellungstitel »Die mir das Herz verbrennt…« erinnert an eine Tulpenart aus dem Osmanischen Reich.
Das Spannende am Thema »Tulpe« ist nicht allein die breite Varianz in Form und Farbe, sondern auch die vielfältigen Möglichkeiten der künstlerischen Inszenierung. Immer sind die Tulpen inhaltliches Leitmotiv, aber sie wechseln dabei zuweilen von der Rolle des Haupt- zum Nebendarsteller, vom bildbestimmenden Zentralmotiv zum schmückenden Kontrapunkt. Eine besondere Freude ist es mir, historische Originale in musealen Sammlungen mit farbenprächtigen Tulpen in Szene zu setzen. Ausgesuchte Motive möchte ich in Sonderformaten in alten Bilderrahmen präsentieren.
»Im 16. Jahrhundert standen sich mit dem Osmanischen Reich und der Habsburger Monarchie zwei Großmächte gegenüber, die kriegerisch um ihre Vorherrschaft kämpften. Dieser Wettstreit hinderte sie aber nicht an einem regen Wirtschaftshandel untereinander.
Der habsburgische Botschafter Ogier Ghiselin de Busbecq berichtete vom Hofe Sultan Süleymans »des Prächtigen« im Jahr 1554, es gebe dort außerordentliche Blumen, die Tulipa genannt werden. Das war wohl ein Übersetzungsfehler, denn mit osmanischen Turbanen hatte der Name nichts zu tun. Doch er blieb. Als Geschenk des Sultans brachte Busbecq Tulpenzwiebeln mit nach Wien: Der Weg nach Europa hatte begonnen und das Interesse der europäischen Gartenbauer war geweckt.
Die erste Darstellung einer Tulpe in Europa war ein Holzschnitt einer stämmigen kurzstieligen Blume mit nach innen gewölbten Blütenblättern, gefertigt vom Züricher Botaniker Conrad Gesner. Der Weg der Tulpe nach Europa forcierte sich, als der Direktor des Botanischen Gartens in Wien, Carolus Clusius, wegen eines Streits Wien verlassen musste und die Tulpe in die Niederlande brachte. Auch in Frankreich, Deutschland, in Flandern und in England durften Tulpen nicht in den Gärten der wohlhabenden Schichten fehlen, sie waren beliebt und begehrt. Als Sammlungsobjekte wurden sie in Wunderkammern zur Schau gestellt: Jede einzelne Blüte wurde wie ein Juwel behandelt.
Dem Tulpenrausch verfielen besonders die Niederlande und die Preise gingen in astronomische Höhen. Eine starke Währung, viele Kolonien, große Absatzmärkte und tatkräftige Kaufleute bildeten dafür das Umfeld. Im Frühling 1637 zerbrach an der Gier diese erste Spekulationsblase des Kapitalismus. Im Oliver Stone-Film „Wall Street“ von 1987, erläutert das der Börsenmakler Gordon Gecko, gespielt von Michael Douglas, als Vorbild für skrupellose Spekulation. Das Gemälde »Die Tulipomania« (1640) des flämischen Barockmalers Jan Breughel dem Jüngeren, ist als Allegorie davon zu betrachten.
Die Tulpe, sie blieb in Europa. In den Niederlanden wurde sie im großen Umfang angebaut und viele neue Züchtungen und Kreuzungen vorgenommen.
Am begehrtesten waren Tulpen mit Streifen und Flecken, wie von Zauberhand kamen sie zum Vorschein. Das geschah nicht von Menschenhand. Das Mosaikvirus, übertragen von Blattläusen, war dafür verantwortlich, entdeckt erst in den 1920er Jahren.
Dass diese Modeblume in aller Munde war, zeigt sich in ihrer alltäglichen Darstellung auf Gebrauchsgegenständen, wie Kacheln und Porzellan. Wissenschaftlich genau wurde sie vielfach gezeichnet und in der Kunst als Vanitas-Motiv dargestellt. Wunderbare botanische Illustrationen, wie im Gottorfer Codex von Hans Simon Holtzbecker, Maria Sibylla Merian und Barbara Regina Dietzsch zeugen davon. Tulpen nahmen fortan zunehmend ihren gebührenden Platz weit vorn in Blumenstillleben ein, wie in den Werken von Clara Peeters und Jacob Savery.
Als Symbol von Eleganz, Reichtum und Vergehen tauchten sie auch in den Porträtbildern von holländischen Meistern in diesem Goldenen Zeitalter der Malerei auf, wie im Bild „Saskia als Flora“ von Rembrandt van Rijn, ausgestellt in der Eremitage.
Bis heute finden alljährliche Tulpenausstellungen und ‑feste statt: In Europa und in Istanbul, auch bekannt als Konstantinopel, der Hauptstadt des Osmanischen Reiches.« (Anna Pavord 2003, Die Tulpe, Insel Verlag, Frankfurt.)